Max Linder
Gabriel-Maximilien Leuvielle fristete zuerst als Nebendarsteller in frühen Filmkomödien sein Dasein, eher er als Max Linder eine Filmfigur kreierte, die ihm bald weltweite Bekanntheit sicherte. Bühnenerprobt signierte er ab 1910 seine Filme mit seinem Vornamen im Titel, perfektioniert visuell effektvolle Komik und wird zum Vorbild unzähliger Nachfolger, darunter Mack Sennett, Buster Keaton, Harold Lloyd und vor allem Charles Chaplin, der ihn später mit dem Ehrentitel »Professor« bezeichnet. Im Gegensatz zu anderen Komikern verzichtet Linder auf ein komisches Kostüm, gibt den gut gekleideten Pariser Belle-Époque-Bürger, oft in Anzug, Handschuhen und Zylinder, dessen Suche nach weiblichen Eroberungen in eine jeweils neue Rahmenhandlung gekleidet wird. Im Ersten Weltkrieg übersteht er einen Gasangriff nur mit schweren körperlichen Schäden, nach dem Krieg versucht er seine inzwischen geminderte Popularität durch in den US produzierte Filme wiederzuerlangen. 1924 dreht er in Wien mit DER ZIRKUSKÖNIG (Regie: E. E. Violet) seinen letzten Film, unternimmt während der Dreharbeiten einen Selbstmordversuch, wird jedoch gerettet. Ein weiterer, nur ein Jahr später, gelingt. Nach einigen Jahren der Vergessenheit hat eine Linder-Nostalgiewelle die immanente Bedeutung des Franzosen für die Filmgeschichte wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Es gibt kaum ein Sujet, dass Linder in seinen hunderten Kurzfilmen nicht erprobt hätte, die später weiterentwickelt oder schlicht plagiiert wurden. Die Grundideen waren einfach, die Ausführung stets geistreich.
In L’ANGLAIS TEL QUE MAX LE PARLE demonstriert Linder, wie man sich im amourösen Alltag per gezeichneter Sprache, also einer Art »Zwischentitel« verständigen kann. Zu den erfolgreichsten US-Produktionen zählt THE THREE MUST-GET-THERES, eine Parodie auf Fred Niblos THE THREE MUSKETEERS (1921) mit Douglas Fairbanks, der in denselben Sets gedreht wurde, mit Linder in der Fairbanks Rolle als Dart-In-Again. (gk)
L’ANGLAIS TEL QUE MAX LE PARLE (MAX SPRICHT KEIN ENGLISCH)
F 1914
REGIE, BUCH Max Linder
MIT Max Linder, Cécile Guyon
PRODUKTION Pathé Frères
LÄNGE 10 Minuten
FORMAT 35 mm, s/w
THE THREE MUST-GET-THERES (MAX UND DIE DREI MUSSKREPIERE)
US 1922
REGIE Max Linder
BUCH Max Linder, Tom Miranda, angelehnt an Alexandre Dumas’ Roman Die drei Musketiere
KAMERA Max Dupont, Enrique Juan Vallejo
MIT Max Linder, Bull Montana, Frank Cooke, Caroline Rankin, Jobyna Ralston
PRODUKTION Max Linder Productions
LÄNGE 58 Minuten
FORMAT Digi-Beta, s/w
Gesamt-Länge: 68 Minuten
Live-Musik: Gerhard Gruber
Max Toréador (Max als Stierkämpfer) (1913)
Ein Film von Max Linder; Darsteller: Max Linder, Stacia Napierkowska. 35mm, Farbkopie, ca. 25 min
Das Teufelchen (1917)
Regie: Dr. R. Portegg [i.e. Rosa Porten & Franz Eckstein]; Kamera: Max Fassbender; Darsteller: Wanda Treumann, Hermann Seldeneck, Fritz Achterberg, Paul Passarge, Johanna Junker-Schatz. 35mm, Farbkopie, ca. 58 min
Zum Auftakt:
Chaussure trop étroite (Zu enge Schuhe) (1907) von Pathé Frères; mit Max Linder. 35mm, s/w, ca. 4 min
Drei frühe Komödien, die die Filmgeschichtsschreibung in Bewegung setzen: In Max Toréador sorgt der einflussreiche französische Filmkomiker Max Linder – mit typischem Elan – für Chaos in der Stierkampfarena. Die restaurierte Kopie des Österreichischen Filmmuseums ist fast doppelt so lang wie die bisher bekannte Fassung. Davor ist Linder im Pathé-Film Chaussure trop étroite zu sehen, der erst nach seiner Wiederentdeckung und Restaurierung durch das Filmmuseum mit Linders Namen wiedervereinigt wurde. Die kryptofeministische deutsche Komödie Das Teufelchen galt bis vor kurzem als verschollen, bis eine fast vollständige Nitrokopie im Filmmuseum wieder auftauchte. In diesem modernen Märchen, inszeniert von der Pionierregisseurin Rosa Porten, wird Wanda Treumann von der „lebenslustigen Tippmamsell“ zum Filmstar. (O.H.)
Am Klavier: Gerhard Gruber