REGIE und BUCH: Heinrich Bolten-Baeckers KAMERA: Charles Paulus DARSTELLER: Josef Gianpetro, Klara Kollendt PRODUKTION: Duskes Kinematographen- und Film-Fabriken GmbH, Berlin LÄNGE: 231 Meter FORMAT: 35 mm, viragiert
Der Film ist eine deutsche Variante der Slapstickkomödie des von Bräuten verfolgten Mannes. Verfolgt wird der im Heiraten begriffene ›Don Juan‹ von all seinen ehemaligen Geliebten. Zu Beginn sehen wir eine Frau nach der anderen die Heiratsanzeige in der Zeitung lesen und zornentbrannt den Weg zum Standesamt einschlagen … Die im Stich gelassenen Geliebten vereinen sich, um den "Baron von Herzensknicker" zu entführen. Die eigentliche massenhafte Verfolgungsszene, die sich lawinenartig entwickelt, wird allerdings von der stehen gelassenen Braut ausgelöst, die samt der Hochzeitsgesellschaft - in Frack, Zylinder, großer Robe - sich in Bewegung setzt, hinter der Kutsche der Entführerinnen herrennt, Radfahrer, spielende Kinder und alte Frauen in die Jagd verwickelt und mitreißt. Die Szene erinnert nicht nur an die amerikanischen Vorbilder, sondern nimmt ein wenig auch schon die absurde Komik des in Aufruhr geratenen Leichenzuges von ENTR'ACT vorweg. (Heide Schlüpmann)
DIE VERNUNFT DES HERZENS D 1910
REGIE: Charles Decrois KAMERA: Karl Hasselmann DARSTELLER: Carl Wilhelm PRODUKTION: Deutsche Mutoscop- und Biograph GmbH, Berlin LÄNGE: 141 Meter FORMAT: 35 mm, s/w
Der Rahmen patriarchaler Normsetzung muss nicht immer vom Film repräsentiert werden. DIE VERNUNFT DES HERZENS ist eine dieser Geschichten des frühen Erzählkinos, die ›neutral‹, d. h. ohne den moralisierenden Eingriff, einen ›Fall‹ berichten: er betrifft zwei Freundinnen, die eine ist verheiratet; sie betrügt mit Hilfe der Freundin den Ehemann. Gemeinsame Ausfahrten werden zu Rendezvous genutzt; bei geselligen Abenden zu viert arrangiert die Freundin unauffällig die Verständigung der Liebenden. Schließlich deckt sie die Verbindung vor dem Ehemann nicht nur mit dem Risiko des eigenen guten Rufs, sondern auch des eigenen Lebens … Bemerkenswert, wie eine Parteinahme für die Liebe und gegen die Ehe in der dargestellten Frauensolidarität Ausdruck findet, sodass nicht nur die traditionelle Moral in den Hintergrund tritt, sondern auch die Figur des Ehemannes lächerlich erscheint. Weitestgehend wird vom Standpunkt der Frauen aus erzählt. (Heide Schlüpmann)
MADELEINE D 1912
REGIE: Emil Albes DARSTELLER: Ilse Oeser, Ludwig Trautmann, Hugo Fink PRODUKTION: Deutsche Bioskop GmbH, Berlin LÄNGE: 830 Meter FORMAT: 35 mm, viragiert
Während des preußisch-französischen Krieges verlobt sich Madeleine mit einem deutschen Ingenieur. Als ihr Bräutigam seine Einberufung erhält, versucht sie vergeblich, ihn davon abzubringen, sich bei seinem Regiment zu melden. Nach einer langen Zeit der Sehnsucht hört sie, daß man ihren Verlobten als Spion verhaftet hat. […] Da verhilft sie ihm zur Flucht. Zu seinem Regiment zurückgekehrt, läßt der Offizier sofort die französische Einheit angreifen, die sich auf dem Landsitz von Madeleines Vater verschanzt hat. (Rot für Gefahr, Feuer und Liebe. Frühe Deutsche Stummfilme, red. von Daniela Sannwald, Berlin 1995, S. 25)
MADELEINE ist vor allem ein soziales Drama, in dem die Frau zwischen Liebe und Vaterlandsverteidigung zerrieben wird. Der Film subsumiert diesen Konflikt nicht dem Schema der Schicksalstragödie. Er stellt vielmehr sehr präzise die Liebe der Frau als körperlich sexuelle dar, die ihre Würde an der Selbstbestimmtheit hat und diese am Ende auch gegen den Anspruch des Vaterlandes durchzusetzen sucht. (Heide Schlüpmann)
musikalische Begleitung: Gerhard Gruber
http://filmmusik.at/ http://filmmusik.at/English/Gerhard-Gruber-Silentfilm-English.html http://filmmusik.at/Stummfilmpianist/Gerhard-Gruber-Stummfilmpianist.html
DON JUAN HEIRATET (späterer Titel: DER HERZENSKNICKER) D 1909 | |
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